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Eine Begegnung der besonderen “Art“

Es ist ein heißer sonniger Donnerstag Nachmittag im Juli, als wir auf den großen Parkplatz des Restaurant Fischer am Ammersee einfahren. Im Schatten eines Baumes steht ein großer schlanker älterer Mann in legerer Freizeitkleidung, mit einer Mappe unter dem Arm. Obwohl der Parkplatz stark frequentiert ist und wir uns noch nie vorher begegnet sind, weiß er sofort, dass wir es sind, die sich mit Ihm verabredet haben und kommt auf uns zu. Denn wir sind mit Helmuts cobaltblauem 968 Cabriolet gekommen. Und wenn nicht er, wer sonst würde dieses Fahrzeug sofort in der Masse der anderen Autos erkennen. Er hat sich schließlich diese Form ausgedacht. Und nach seinem Design Entwurf wurde es dann tausendfach gebaut. Wir steigen aus. „Guten Tag Herr Lagaay. Es freut uns sehr, dass sie sich für uns heute Zeit genommen haben!“ Nach kurzer freundlicher Begrüßung geht es sofort erst einmal um Helmuts Cabrio.

Harm Lagaay, der 1946 in Den Haag geborene Holländer ist - obwohl bereits seit 2004 im Ruhestand - noch immer durch und durch ein Automensch! Er ist neugierig was wir denn alles von Ihm wissen möchten. Im loungeartigen schattigen Biergarten am See, stellen wir ihm als erstes unseren Porsche Club 968 ausführlich vor. Herr Lagaay ist sichtlich erstaunt, aber gleichzeitig erfreut darüber, dass es doch mittlerweile eine immer größer werdende Fangemeinde gibt, die sich zum Teil aus wahren 968 Enthusiasten zusammensetzt und es sogar einen eigenständigen Club für dieses Fahrzeug in Deutschland gibt!

Er selbst wurde als langjähriges enges Mitglied der Porsche Familie zwangsläufig auch vom ständigen Hype über den 911 geprägt. Bereits ab 1971 - gerade vom französischen Hersteller Simca kommend - arbeitete Harm Lagaay im Weissacher Porsche Design Studio erfolgreich 6 Jahre lang an den Typen 924 und 911 mit. 1977 kam die Berufung als Chefdesigner bei Ford, wo er zum Beispiel die Modelle Escort und Sierra entwarf. 1985 wurde er Chefdesigner bei BMW. Hier gelang ihm ein großer Wurf mit dem allseits bekannten Z1.

1989 zu einer Zeit, als es Porsche gar nicht mehr gut ging, holte man ihn nach Weissach zurück. Die Verkäufe der bestehenden Modelle gerieten ins Stocken und so musste unter anderem ein Nachfolger für den 944 gefunden werden. Unter der Bedingung, sich selbst einige ausgewählte Leute ins Team holen zu dürfen, willigte er ein. Und so wurde Harm Lagaay Leiter der Porsche Design Abteilung in Weissach. Eine Vorgabe des Vorstandes für das neue Transaxle Modell 968 war ein deutlicher Wiedererkennungswert in der Formensprache mit der Porsche Familie. Dass dies gut gelang, erkennt man daran, dass es für einen Laien schwer ist, selbst aus kürzerer Distanz einen 11er der Baureihe 993 von einem 968 von vorne zu unterscheiden. Leider rettete auch diese eindeutig als Porsche erkennbare zeitlose Erscheinung nicht das Überleben des 968. Andere Pläne lagen bereits in der Porsche Schublade und gleichzeitig musste dringend bei der Produktion gespart werden!

Unter dem Management des seit 1993 als Vorstandsvorsitzenden agierenden Wendelin Wiedeking, bekam Harm Lagaay die Aufgabe für die Detroit Motor Show eine Studie des zukünftigen Boxster zu entwerfen. Diese kam so gut an, dass Porsche beschloss das Fahrzeug in Serie zu bringen. Und der neue 911 sollte bis zur A- Säule fast Identisch mit dem Boxster werden. Dies sparte bei der Produktion enorme Kosten, stellte  aber gleichzeitig den Designer wegen der unterschiedlichen Motorkonzeption – Mittel- und Heckmotor - vor eine große Herausforderung. „Hier habe ich mehrere Design Teams jeweils immer an einem Pärchen aus 11er und Boxster nebeneinander arbeiten lassen. Immer wenn am 11er etwas geändert wurde, musste dies gleichzeitig am nebenstehenden Boxster gemacht werden“ erklärt er uns anschaulich. Auf meine Frage, warum dann in dieser Zeit auch noch die 968 Roadster Studie vorgestellt wurde, macht uns Herr Lagaay klar, dass es sich hierbei eigentlich nur um ein Ablenkungsmanöver gehandelt hat. Die neuen Modelle konnten nicht so schnell aus dem Ärmel geschüttelt und produziert werden. Bis dahin musste Porsche zeigen, dass man trotz finanzieller Schwierigkeiten noch “am Ball“ war und neue Modelle entwickelte.

Jeder weiß, welche Erfolgsstory der neue 996 und der Boxster geworden sind. So wurde mächtig viel Geld ins Unternehmen gespült. Jetzt konnte man es sich sogar leisten einen Supersportwagen zu entwickeln. „Designen Sie einen offenen Wagen. Die Amerikaner lieben es sich damit zu zeigen. Schöpfen Sie aus dem Vollen. Wir wollen nur nicht ganz so viel bei jedem Fahrzeug drauflegen müssen, hat man mir gesagt, als ich den Auftrag für den Carrera GT bekommen habe“.

Wenn Harm Lagaay so im Plauderton erzählt, ist es für uns schon etwas besonderes, einen so wichtigen Zeitzeugen der Porsche Entwicklungsgeschichte, der auch noch so eng mit unserem Hobby verknüpft ist hautnah zu erleben. Super sympathisch und trotz seines Erfolges sehr bescheiden kommt er rüber. Er erzählt auch von seiner Leidenschaft für den Motorsport und seine Erfahrungen als Fahrer im Porsche Cup. Nicht vergessen dürfen wir, dass auch noch die Modelle 997 und Cayenne aus seiner Feder stammen. Bis zum Jahr 2004, also 15 Jahre dauerte seine zweite Amtszeit bei Porsche, bis zu seinem selbstgewählten Ruhestand. Seinen Nachfolger Michael Mauer, hat er dann noch selbst dem Vorstand präsentiert. Wir haben unseren Zeitplan zum Treffen mittlerweile ganz schön überzogen! Ganz zufällig hat jeder von uns noch ein paar 968 Unterlagen dabei, und lassen uns diese noch von Ihm signieren. „Sollen wir noch ein Foto machen?“ Fragt er zum Abschied. Ja gerne. „Das machen wir aber nicht im Biergarten“ sagt er, „sondern selbstverständlich am Parkplatz bei Ihrem Auto!“

Franz B.